Sonntag, 8. Juni 2014

WM-Vorschau (2/32): Kroatien

Jüngere Vergangenheit

Seit dem dritten Platz 1998 ist die Erwartungshaltung in Kroatien hoch, die Mannschaft konnte diese aber bei den vergangenen Großereignissen nicht erfüllen. Einziger „Erfolg“ war der Viertelfinaleinzug bei der Euro 2008. Die Weltmeisterschaften 2002 und 2006 waren für Kroatien nach der Vorrunde beendet, 2010 wurde gar die Qualifikation verpasst. Auch die Teilnahme an der WM 2014 hing am seidenen Faden: Kroatien qualifizierte sich über den Umweg der Play-Off-Runde gegen Island.

Trainer

Niko Kovac, 42, ist seit Oktober 2013 im Amt. Kovac übernahm den Posten von Igor Stimac, dem die verpasste Direktqualifikation zum Verhängnis wurde. Die Cheftrainer-Erfahrung des Ex-Bundesligaprofis (u.a. Hamburg, Leverkusen, Bayern) ist denkbar gering und beschränkt sich auf einige U21-Spiele. Kovacs Bilanz bei der U21 kann sich allerdings sehen lassen: von vier Qualifikations-Spielen zur EM 2015 wurden vier bei einem Torverhältnis von 13:0 gewonnen. Als Spieler konnte Kovac bereits WM-Erfahrungen sammeln, er war bei den Endrunden 2002 und 2006 dabei.

Kader & Aufstellung

Kovac bevorzugt ein offensiv ausgerichtetes 4-2-3-1, hat es in den Testspielen allerdings vermieden, sich zu tief in die Karten schauen zu lassen. Folgende Fragen sind noch offen:
  • Linksverteidiger: Der eigentlich gesetzte Ivan Strinic schaffte es verletzungsbedingt nicht in den WM-Kader. Ersatzmann Danijel Pranjic spielte bei seinem Verein Panathinaikos meist im Mittelfeld und war somit ohnehin nicht die Ideallösung. Im Testspiel gegen Australien verletzte sich Pranjic am Sprunggelenk. Sime Vrsaljko wäre eine Option, um einen Ausfall Pranjics aufzufangen.
  • Mandzukic: Der im Eröffnungsspiel gesperrte Mandzukic dürfte bei den Spielen gegen Kamerun und Mexiko zweifellos erste Wahl sein, für die Partie gegen Brasilien wird aber eine Alternative benötigt. Keine der Kovac zur Verfügung stehenden Optionen überzeugt vollends: Weder Ivica Olic noch Eduardo haben unter Kovac im Sturmzentrum gespielt. Die wahrscheinlichste Lösung ist Nikica Jelavic, der bei Hull eine brauchbare Rückrunde spielte. Allerdings ist Jelavic weniger agil als Mandzukic – als „target man“ ist Jelavic auf Flanken angewiesen, was bei den Kroaten, wie weiter unten nachzulesen ist, einen wunden Punkt berührt.
  • Kovacic oder Vukojevic: Wie viel Offensive verträgt das kroatische Spiel? Ivan Rakitic und Luka Modric sind im zentralen Mittelfeld gesetzt, fraglich ist allerdings ob sich Kovac mit dem hochtalentierten Mateo Kovacic für eine sehr offensive oder mit dem umstrittenen Ognjen Vukojevic für eine defensivlastigere Variante entscheidet. Die richtige Balance zwischen Kreativität und Physis im Mittelfeld wird mitentscheidend für das Abschneiden der Kroaten sein.
                                     Mögliche Startformation

Stärken
  • Individuelle Klasse: Kroatien hat eine ganze Menge davon im Kader. Modric kommt als frischgebackener Champions-League-Sieger zur WM, Rakitic halten viele für den besten Spieler in La Liga, der nicht bei Real, Barcelona oder Atletico unter Vertrag steht, Mandzukic gehört zu den besten Angreifern Europas.
  • Form und Fitness: Im Gegensatz zu vielen anderen WM-Teilnehmern werden die Kroaten – mit Ausnahme der linken Abwehr – kaum von Verletzungssorgen geplagt. Die Schlüsselspieler sind fit und in den meisten Fällen in guter Form. Es gibt kaum eine andere Mannschaft, die in einer so guten Verfassung in das Turnier geht.
Schwächen
  • Abhängigkeit von Mandzukic: Mandzukic erzielte in der Qualifikation ein Drittel aller kroatischen Treffer. Eduardo, Olic und Jelavic sind kein gleichwertiger Ersatz. Dies ist im Eröffnungsspiel zu verschmerzen, weil es für die Kroaten das am wenigsten wichtige Vorrundenspiel ist. Sollte Mandzukic allerdings gegen Kamerun und Mexiko seine Form nicht finden, hat Kroatien ein großes Problem.
  • Außenpositionen: Die Außenpositionen sind schwach besetzt. Perisic, Eduardo Kovacic und Rebic sind keine klassischen Flügespieler und / oder nicht in Topform und schaffen es nicht, genug Tempo in das kroatische Spiel zu bringen. Dies ist einer der Gründe, warum Jelavic, der in hohem Maße auf Flanken angewiesen ist, kein idealer Mandzukic-Ersatz ist.
Prognose

Kroatien ist der Favorit auf den zweiten Platz in der Gruppe A. Dabei spielt dem Team die Auslosung in die Hände – es gibt vermutlich keinen besseren Zeitpunkt als das Eröffnungsspiel, um auf Brasilien zu treffen. Der Druck wird komplett beim WM-Gastgeber liegen. Für die Kroaten sind die Begegnungen mit Kamerun und Mexiko diejenigen Spiele, die über Erfolg oder Misserfolg entscheiden. Keine dieser beiden Mannschaften ist besser als Kroaten, weshalb sich die Kovac-Elf normalerweise durchsetzten sollte. Höchstwahrscheinlich dürfte allerdings der Achtelfinalgegner, der aus der starken Gruppe B kommt, eine zu hohe Hürde darstellen.


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